Die Rechtsanwaltsdichte hat in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. So kommt nach Angaben der Bundesrechtsanwaltskammer im Bundesland Hamburg auf 234 Einwohner ein Rechtsanwalt, in der Stadt Frankfurt am Main sind es sogar nur 97 Einwohner pro Rechtsanwalt.
Den passenden Anwalt zu finden sollte also nicht daran scheitern, dass es nicht genug Anwälte gibt.
Auch das Auffinden von Rechtsanwälten gestaltet sich relativ einfach. Verschiedene Anbieter im Internet bieten Suchdienste an, bei denen unter Angabe von Wünschen wie Ort und Postleitzahl, Rechtsgebieten und Fremdsprachenkenntnissen nach Anwälten gesucht werden kann. Viele Kanzleien haben eine eigene Website mit detaillierten Informationen über sich, die mittels der üblichen Suchmaschinen zu finden sind.
Eine klassischere Methode ist die Suche im örtlichen Telefonbuch.
Ebenso klassisch sind Empfehlungen aus dem Familien-, Bekannten-, und Kollegenkreis. Schauen Sie sich doch z.B. einmal in Ihrem Sportverein um. Empfehlungen haben den Vorteil, dass sich die Kontaktaufnahme weniger anonym gestaltet und dass Sie die Gewissheit haben, dass andere Mandanten mit diesem Anwalt zufrieden waren.
Die Möglichkeiten zur Anwaltssuche sind also gegeben. Wenn es dann um die konkrete Wahl eines bestimmten Anwalts geht, kommen diese vier Kriterien zum tragen: Sympathie, Fachkunde, Infrastruktur und Größe der Kanzlei.
1. Sympathie
Das Kriterium Sympathie mag Sie zunächst überraschen, sollte aber auf keinen Fall unterschätzt werden. Nicht immer sind Rechtsfragen eindeutig zu beantworten oder der Verlauf eines Verfahrens klar vorhersehbar. Umso wichtiger ist es dann, dass Ihr Anwalt und Sie auf einer Wellenlänge sind. Wenn Sie den Eindruck haben, dass ein Anwalt Ihre Interessenlage nicht versteht oder eine ganz andere Herangehensweise an Dinge hat als Sie, etwa wenn es um die Risikobereitschaft geht, sollten Sie überlegen, ob diese Zusammenarbeit erfolgreich sein kann.
Sie sollten sich aber genauso davor hüten, sich für den Anwalt zu entscheiden, der Ihnen am häufigsten zustimmt. Es gehört zu den Aufgaben des Anwalts, Sie stets auch auf die Risiken hinzuweisen und von nicht erfolgversprechenden Maßnahmen abzuraten. Stets sollte Sie der Anwalt aber auch auf alternative Vorgehensmöglichkeiten hinweisen.
2. Fachkunde
Sie können davon ausgehen, dass jeder in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt ein hohes Niveau an Fachkunde mitbringt. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, einen Anwalt zu beauftragen, der in dem für Ihren Fall relevanten Rechtsgebiet Erfahrung hat. Kein Anwalt ist in der Lage jedes Rechtsgebiet im Detail zu kennen.
Die folgenden Bezeichnungen können Ihnen begegnen:
a) Fachanwalt
Der Titel „Fachanwalt“ ist in § 43c der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und in der Fachanwaltsordnung (FAO) geregelt. Den Titel darf nur führen, wer einen Lehrgang besucht und drei schriftliche Prüfungen abgelegt hat. Außerdem muss der Anwalt eine bestimmte Anzahl von Fällen aus dem jeweiligen Fachgebiet bearbeitet haben. Je nach Fachgebiet sind innerhalb von drei Jahren 50 bis 160 Fälle vorgeschrieben. Jeder Fachanwalt ist verpflichtet, pro Jahr an mindestens einer Fortbildungsveranstaltung seines Fachgebietes teilzunehmen. Mehr als zwei Fachanwaltstitel dürfen nicht geführt werden. Mit diesen Anforderungen weist die Fachanwaltschaft eine hohe Kompetenz in einem bestimmten Rechtsgebiet aus.
Seit dem 1. Juli 2006 gibt es den Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er muss Kenntnisse aus den Bereichen Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster- und Sortenschutzrecht, Recht der Marken und sonstigen Kennzeichen, Recht des unlauteren Wettbewerbs, Europäisches Recht des gewerblichen Rechtsschutzes, Urheberrecht und Verfahrensrecht vorweisen können.
Diese Fachanwaltschaft deckt viele der beim Onlinewerberecht betroffenen Rechtsgebiete ab.
Bis Ende 2006 sollen zudem der Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht sowie der Fachanwalt für Informationstechnologierecht eingeführt werden. Wie der Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz können diese Fachanwaltschaften als besondere Qualifikation für eine Tätigkeit mit Bezug zum Onlinewerberecht angesehen werden.
b) Tätigkeitsschwerpunkt und Interessenschwerpunkt
Bis Ende Februar 2006 war es Anwälten außerhalb der Qualifikation als Fachanwalt nur sehr eingeschränkt erlaubt, mit Spezialisierungsbezeichnungen zu werben bzw. unter solchen aufzutreten. Der Anwalt war darauf beschränkt, bis zu fünf Tätigkeits- oder Interessenschwerpunkte zu nennen. Tätigkeitsschwerpunkt bedeutete, dass der Anwalt mindestens zwei Jahre in dem Rechtsgebiet tätig war. Für einen Interessenschwerpunkt mussten besondere Fachkenntnisse nachweisbar sein, etwa durch Veröffentlichungen.
Diese Beschränkungen hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom Juli 2004 aufgehoben.
c) Spezialist und andere Bezeichnungen
Im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung des anwaltlichen Berufsrechts werden Sie vermehrt auf neue Bezeichnungen bei Anwälten treffen. Viele dieser Bezeichnungen werden nicht an so strenge Voraussetzungen wie die Bezeichnung als „Fachanwalt“ geknüpft sein, während andere möglicherweise sogar ein höheres Niveau an spezieller Fachkunde voraussetzen. Letzteres dürfte z.B. beim Spezialist der Fall sein, wie das Bundesverfassungsgericht in dem oben genannten Urteil angedeutet hat.
Gemäß § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) darf qualifizierende Zusätze und Spezialisierungen auch weiterhin nur verwenden, wer diese Qualifikation bzw. Spezialisierungen nachweisen kann. § 43b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) schreibt darüber hinaus allgemein vor, dass anwaltliche Werbung stets sachlich sein müsse. Selbstverständlich gilt außerdem das Verbot irreführender Werbung nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Wenn Ihnen nicht klar ist, was sich hinter einer Bezeichnung verbirgt, sollten Sie nachfragen. In jedem Fall empfiehlt es sich ohnehin, den Anwalt nach seiner bisherigen Erfahrung mit Ihrem Anliegen ähnlichen Fällen zu befragen. Beachten Sie aber, dass Rechtsanwälte gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und daher nicht ohne Weiteres Auskunft über andere Mandate geben können. Schon die Nennung des Namens eines anderen Mandanten kann unter Umständen für den Anwalt strafrechtliche Folgen haben.
3. Infrastruktur
Kein Anwalt weiß alles aus dem Kopf und hat immer alles im Blick. Umso wichtiger ist daher eine gute Infrastruktur in der Kanzlei. Wenn Sie bei der Auswahl des Anwalts unsicher sind, kann die Ausstattung vielleicht einen weiteren Anhaltspunkt geben.
Dies betrifft zum einen den Zugang zu juristischen Informationen. Während früher eine umfangreiche Bibliothek mit Büchern und Fachzeitschriften hierfür nötig war, lassen sich diese Inhalte heute oft über (kostenpflichtige) Datenbanken via Internet abrufen und sind dabei sogar aktueller verfügbar. Viele Kanzleien haben daher mittlerweile einen Zugang zu Urteilsdatenbanken. Gerade im Bereich des sich immer noch rasant entwickelnden Online- und Computerrechts kann ein derart schneller Zugriff von Vorteil sein.
Oft übersehen wird, dass es auch zu den Aufgaben des Anwalts gehört, etwaige Fristen einzuhalten sowie Schreiben entgegenzunehmen und ggf. zeitnah zu bearbeiten. Auch dies sicherzustellen erfordert eine gewisse Infrastruktur. So macht ja auch ein Anwalt mal Urlaub. Auch hier stehen mittlerweile viele elektronische Helferlein zur Verfügung.
Schließlich wird aus Ihrer Sicht eine gute Erreichbarkeit des Anwalts wichtig sein.
4. Kanzleigröße
Wenn Sie sich ein wenig umsehen, werden Sie Kanzleien aller Größen finden: Internationale Großkanzleien mit mehreren tausend Anwälten und Büros überall auf der Welt, ebenso wie Anwälte, die allein tätig sind.
Welche Größe für Sie optimal ist, hängt von Ihrem Anliegen ab. Internationale Großkanzleien sind meist vergleichsweise teuer und konzentrieren sich auf Große Projekte wie Unternehmenskäufe, Fusionen, etc.
Unterhalb dieser Größe gibt es eine Reihe deutschlandweit und regional tätiger, hauptsächlich wirtschaftsrechtlich ausgerichteter Kanzleien.
Der Vorteil einer großen Kanzlei liegt darin, dass Sie hier Spezialisten für verschiedene Bereiche finden können und trotzdem alles aus einer Hand bekommen. Oft ist es so, dass Fallgestaltungen nicht nur ein Rechtsgebiet betreffen. Dann kann es von Vorteil sein, wenn Einzelfragen von dem Sie betreuenden Anwalt schnell mit einem spezialisierten Anwalt in der Kanzlei besprochen werden können. Gerade bei größeren Projekten kann dies zum tragen kommen. Verträge mit ausländischen Unternehmen können z.B. haftungs- und steuerrechtliche Probleme aufwerfen oder es sind arbeits- und sozialrechtliche Fragen bezüglich Beteiligter freier Mitarbeiter zu klären, die in den entsprechenden Verträgen berücksichtig werden müssen.
Einzelanwälte oder kleinere Sozietäten können vor allem bei kleineren Projekten und Anliegen sowie der ständigen Beratung eine gute Wahl sein. Oft haben diese Kanzleien eine schlankere Struktur und können dadurch günstigere Preise bieten. Die Anwälte werden weniger mit Großprojekten beschäftigt sein und können daher Ihrem „kleinen“ Problem mehr Aufmerksamkeit schenken.
Nicht alle Fallgestaltungen erfordern zudem vertiefte Kenntnisse in allen Rechtsgebieten, so dass ein auf Ihr Problemfeld spezialisierter Anwalt mit guten allgemeinen Rechtskenntnissen Sie umfassend beraten kann. Stets wird es aber von Vorteil sein, wenn ein Anwalt Kollegen zur Verfügung hat, mit denen er offene Fragen kurz besprechen kann.